Seit Jahrzehnten gibt es eine Diskussion unter Fachleuten, ob der postprandiale Blutzucker (Blutzucker nach dem Essen) eine eigenständige Bedeutung für die Entstehung von Spätkomlikationen an Niere, Augen und/oder Nerven bei Typ 1 Diabetes mellitus hat. Die jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift Diabetes Care veröffentlichten Ergebnisse des Diabetes Control and Complications Trial (DCCT) von den Jahren 1983-1993 hat 1441 Patienten mit Typ 1 Diabetes mellitus untersucht, dass die Beurteilung einer intensivierten Insulintherapie auf die mikrovaskulären Folgeerkrankungen (Niere, Augen und/oder Nerven) so gut wie vollständig durch den mittleren Blutzucker, beurteilt zum Beispiel durch den HbA1c (A1C) Wert erklärt werden kann. Da in dieser Studie nicht bei allen Patienten ein HbA1c-Wert vorlag wurden bei dem fehlenden Drittel der Patientendaten vierteljährliche 7 Punkte Blutzuckertagesprofile verwendet, um mit der heute verfügbaren Statistik vergleichbare Tageswerte zu errechnen. Insgesamt ergab sich, dass die Tagesschwankungen für die mikrovaskulären Komplikationen (Niere, Augen und/oder Nerven) ohne Bedeutung waren. Lediglich der mittlere Langzeitwert (longitudinaler Mittelwert „M-Wert“) über eine längere Zeit war bei allen statistischen Berechnungen signifikant mit der Mikroalbuminurie (durch erhöhten Blutzucker bedingte Einschränkung der Nierenfunktion) assoziiert.
Seit vielen Jahren besteht die Diskussion um die Bedeutung der Blutzuckerwerte kurz nach dem Essen (postprandialen Glukose) und die Amerikanische Diabetes Gesellschaft (ADA) gab im Jahre 2001 ein Statement heraus wo die Frage nach einer eigenständigen Bedeutung der postprandialen Glukose als „unklar“ eingestuft wurde. Der HbA1c-Wert kann eine Abschätzung der mittleren Blutglukose über den Zeitraum der vergangenen 12 Wochen ermöglichen und desto niederer dieser HbA1c-Wert ist, also je näher er dem Normalwert bei gesunden nicht diabetischen Personen liegt, desto geringer ist die Entwicklung von Folgeerkrankungen (Niere, Augen und/oder Nerven) bei Typ 1 Diabetikern.
Der Erstautor dieser Studie Herr Dr. Lachin meint aber, man könne nicht sagen, dass Patienten nicht mehr wegen großer Blutzuckerschwankungen besorgt sein müssen. Denn ein mittlerer, normnaher Blutzucker mit einem niederen (normalen) HbA1c ist nämlich bei extremen Schwankungen der täglichen Blutzuckerwerte auch nicht zu erreichen. Es ist daher unbedingt weiterhin notwendig für Typ 1 Diabetiker regelmäßig körperliche Bewegung zu machen und sich mit ausgewogener Mischkost zu ernähren um möglichst geringe Blutzuckerschwankungen zu haben.
WJS