Es geht um einen Verkaufs-Blockbuster der Nahrungsergänzungsmittel der Firma Bayer aus der rezeptfreien Sparte. Iberogast ist ein alkoholischer Auszug aus neun Kräutern und Arzneipflanzen. Es gehört zu den beliebtesten Magen-Darm-Mitteln und wird in Deutschland für den „Reizdarm“ und andere Verdauungsstörungen von Patienten sehr gerne genommen. Seit mehreren Wochen steht das Nahrungsergänzungsmittel Iberogast im Kreuzfeuer der Kritik. Begonnen hatte es in Deutschland mit einer Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten K. Schulz-Asche zu neuen Warnhinweisen die in der Schweiz auf der Packungsbeilage von Iberogast gedruckt wurden.
Auch in Deutschland gibt es zu Iberogast eine Geschichte, denn eines der in Iberogast enthaltenen Kräuter, nämlich das Schöllkraut, steht schon lange im Verdacht, schwere Leberschäden hervorzurufen. Bei hoch dosierten Zubereitungen mit Schöllkraut hatten sich diese Leberschäden bereits vor fast 30 Jahren gehäuft. Im Jahr 2008 entzog das in Deutschland zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte diesen hoch dosierten Nahrungsergänzungsmitteln die Zulassung. Für Präparate mit einem auch niedrigen Anteil von Schöllkraut mussten dann laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zahlreiche Warnhinweise in die Packungsbeilage aufgenommen werden. Demnach dürfen Leberkranke, Schwangere und stillende Mütter Nahrungsergänzungsmitteln mit Schöllkraut nicht einnehmen, die Einnahme soll generell auf nur vier Wochen beschränkt bleiben, und mögliche Leberschäden müssen als Nebenwirkung genannt werden.
Seit Jahren verweigert die herstellende Firma diese Warnhinweise in die Packungsbeilage aufzunehmen. Die Firma Bayer zog nun vor Gericht – und verweist nun darauf -, dass während des laufenden Gerichtsverfahrens keine Änderungen an den Arzneimittelinformationen vorgenommen werden müssen. Univ. Prof. Dr. D. Grandt vom Klinikum Saarbrücken, Mitglied im Vorstand der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft sagt: „Es irritiert mich extrem, dass eine Bundesbehörde 2008 als Ergebnis eines Stufenplanverfahrens eine Änderung der Gebrauchsinformationen anordnet – und ein Pharmaunternehmen sich dem bis heute entziehen kann“.
Im Fall von Iberogast sieht Prof. Dr. Grandt ein klares Risiko, auch wenn Leberschäden tatsächlich nur bei einzelnen Patienten zu erwarten seien. Allerdings berichteten vor zwei Jahren spanische Ärzte von einem Patienten, der nach – und laut Fallbericht wahrscheinlich auch wegen – der Einnahme von Iberogast an einer schweren Hepatitis (Leberentzündung) erkrankte und eine neue Leber transplantiert werden musste.
Grundsätzlich ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sehr kritisch zu betrachten, denn immer mehr unterschiedliche Produkte mit Kräutern verursachen Leberschäden, wobei meistens generell nicht einmal unbedingt von einer überprüften Wirkung bei Nahrungsergänzungsmitteln ausgegangen werden kann.
WJS